Ökodesign-Studie: Strategien gegen Obsoleszenz

Mit den umfassenden Neuregelungen im Rahmen der EU-Ökodesign-Richtlinie, die ab März 2021 in den EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollen, hat die Europäische Kommission erstmals Anforderungen in Bezug auf die Reparierbarkeit und Ersatzteile von Elektrogeräten in zehn verschiedenen Produktgruppen festgelegt. An die Energieeffizienz von Geschirrspülern, Kühlschränken, TV-Geräten und Halogenlampen werden in Zukunft strengere Anforderungen gestellt. Weitere Änderungen gibt es hinsichtlich der Bestimmung der Energieeffizienzklasse. Bisher wurde das Energielabel der effizientesten Geräte als A+++ klassifiziert. Künftig sollen die Geräte Energielabel mit Energieeffizienzklassen von A (höchste Effizienz) bis G (geringste Effizienz) erhalten.

 

In Deutschland erfolgt die Umsetzung der Ökodesign-Richtlinie im Energieverbrauchsrelevante-Produkte-Gesetz (EVPG), das entsprechend angepasst werden muss. Die Ökodesign-Anforderungen gelten auch für elektronische Displays wie Fernsehgeräte, Monitore und digitale Signage-Displays. Nicht unter diese Verordnung fallen beispielsweise Projektoren, VR-Brillen, Broadcast-Displays sowie elektronische Displays mit einer Bildschirmfläche von höchstens 100 Quadratzentimetern.

 

Im Kinobereich wird der Hardware-Obsoleszenz damit noch kein Ende gesetzt. “Es gibt kaum noch Ersatzteile für unseren zehn Jahre alten Projektor”, berichtet Jens Kaspar, Inhaber und Betreiber des Bali Kino Center im Nordseeheilbad Cuxhaven. Sobald eine größere Reparatur erforderlich wird, ist er gezwungen, einen neuen Projektor zu erwerben. Die Bildqualität des 2K-Projektors sei in dem mit 54 Sitzplätzen ausgestatteten Saal 2 durchaus ausreichend. Da die Reparaturfähigkeit des Projektors nicht mehr gegeben ist, plant der Kinobetreiber, mittelfristig in einen neuen 4K-Projektor zu investieren.

 

Um die Zielsetzungen des European Green Deals und des Aktionsplans Circular Economy der Europäischen Kommission zu unterstützen, zeigen das Öko-Institut  und das Zentrum für Verbraucherforschung und nachhaltigen Konsum (vunk) der Hochschule Pforzheim Strategien für eine längere Haltbarkeit und Nutzung von Elektro- und Elektronikgeräten auf. Die im Auftrag des Umweltbundesamtes erstellte Studie Weiterentwicklung von Strategien gegen Obsoleszenz einschließlich rechtlicher Instrumente enthält Vorschläge zur Verbesserung von Reparaturbedingungen, rechtlichen Änderungsmöglichkeiten für Herstellergarantieaussagepflichten sowie eine Ausweitung der gesetzlichen Gewährleistungspflichten und Verbandsklagebefugnisse.

 

Zu den zentralen Forderungen gehört, dass Herstellungsfirmen die Mindestlebensdauer ihrer Produkte beim Kauf angeben müssen. Das würde Verbraucher*nnen ermöglichen, beim Kauf eines neuen Geräts dessen Lebensdauer zu berücksichtigen. Sofern ein Gerät früher als angegeben verschleißt, könnten die Konsument*nnen ihre Gewährleistungsrechte geltend machen, was einen echten Anreiz für die herstellenden Untermehmen darstelle, langlebige Produkte auf den Markt zu bringen. Ein weiterer Vorschlag sieht vor, die europäische Warenkaufrichtlinie in deutsches Recht umzusetzen, die bis spätestens 2021 ohnehin reformiert werden muss. Dadurch könnte die Gewährleistung bei defekten Produkten nicht länger auf zwei Jahre begrenzt, sondern an die erwartbaren Lebensdauern angepasst werden. Beim Kauf eines Produktes solle in den ersten sechs Monaten eine Beweislastumkehr gelten, bei der die verkaufenden Unternehmen nachweisen müssen, dass das Produkt bei der Übergabe bzw. Lieferung mangelfrei war.

 

Um eine längere Haltbarkeit von Elektro- und Elektronikgeräten zu erreichen, benötigen wir eine breit angelegte Strategie gegen Obsoleszenz, die auch rechtliche Instrumente auf nationaler und europäischer Ebene umfasst. Friedhelm Keimeyer, Rechtsexperte für Umwelt- und Energierecht am Öko-Institut

 

In Frankreich enthält das 2015 initiierte Energiewendegesetz Maßnahmen gegen eine geplante Obsoleszenz. Sofern Marktteilnehmer vorsätzlich die Lebensdauer eines Produkts verkürzen, gilt das als Täuschungsdelikt (délit de tromperie), was mit einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einer Geldstrafe von 300.000 € oder bis zu fünf Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes des Unternehmens geahndet werden kann. Derzeit laufen in Frankreich unter anderem Ermittlungen gegen Druckerhersteller, denen vorgeworfen wird, noch voll funktionsfähige Tintenpatronen als leer und unbrauchbar anzuzeigen.

 

In der Studie wird dafür plädiert, dass die neuen Reparatur- und Ersatzteilanforderungen der EU-Ökodesign-Richtlinie für alle Elektro- und Elektronikgeräte gelten sollen. Darüberhinaus sollte ein unabhängiges Register für sogenannte „fachlich kompetente Reparateure“ einrichtet werden, in dem neben den Herstellerbetrieben auch unabhängige Reparaturbetriebe oder qualifizierte Repair-Cafés aufgelistet werden. „Um eine längere Haltbarkeit von Elektro- und Elektronikgeräten zu erreichen, benötigen wir eine breit angelegte Strategie gegen Obsoleszenz, die auch rechtliche Instrumente auf nationaler und europäischer Ebene umfasst“, resümiert Friedhelm Keimeyer, Rechtsexperte für Umwelt- und Energierecht am Öko-Institut.